Alle Plakate

Vielleicht waren acht Auflagen nötig, um in den Plakaten von «Môtiers – Art en plein air» ein visuelles Ensemble sichtbar zu machen. Tatsächlich zeichnet die Plakate aus, dass sie alle von Künstlern und nicht von Grafikern stammen. Man kann sie als vollwertige Kunstwerke betrachten, jedes wurde für jeweils eine Ausstellung geschaffen. 

Diese Plakate, Vektoren der Kommunikation, sind feste Bestandteile der Arbeit des jeweiligen Künstlers.

Hier einige Bemerkungen von Pierre-André Delachaux zur Entstehungsgeschichte der einzelnen Plakate.

1985

1985

Zwei Projekte stehen zur Wahl: Das erste stammt von Yvo Mariotti, Bildhauer in Môtiers und Mitglied des Komitees. Sehr bildhaft und elegant zeigt es eine leuchtende Kerze mit einem schwarz-weissen Gitter als Hintergrund. Der Schriftzug MOTIERS hebt sich sehr deutlich ab.

Das zweite stammt vom Jean-Denis Zaech, Maler und Mitarbeiter im Grafikatelier Riethmann, das den Katalog gestaltet. Ein monumentales Kreuz im Gras symbolisiert gleichzeitig die Schweiz und die Bildhauerei. Es trägt den vollständigen Titel der Ausstellung.

Die Wahl des Komitees ist schwierig: Die fünf Stimmen der anwesenden Männer verhelfen dem Kreuz zum Sieg gegen die drei Stimmen der Frauen, die für die Ästhetik des ersten Projekts empfänglicher sind.

Stecken hinter dieser männlichen Wahl alte, unbewusste Reflexe oder Erinnerungen an den Militärdienst?

Mariottis Projekt wird nicht völlig weggeschoben, es figuriert auf der Titelseite der Nouvelle revue neuchâteloise, Nr. 6, die dem Tagebuch der Ausstellung gewidmet ist.

Plakatprojekt von Jean-Denis Zaech

Plakatprojekt von de Jean-Denis Zaech 

Der Polizist Louis Bromberger, genannt Bonbon, bringt das Plakat im Hof des Bezirksgebäudes in Môtiers an.

1989

1989

Für die zweite Auflage der Ausstellung präsidiert Pierre Keller, Mitglied der Eidgenössischen Kunstkommission, die Jury von Môtiers 89. Dank der engen Zusammenarbeit mit diesem Spezialisten der zeitgenössischen Kunst seinen und seinen vielfältigen Kontakten zeichnet sich ein neues Konzept der Ausstellungen im Freien ab. An Ort und Stelle geschaffene Werke, grosse Namen der schweizerischen und internationalen Kunstszene, von «Stars» gestaltete Plakate sowie eine Auswahl der Künstler nach strengen Kriterien sind die Richtlinien des neuen Konzepts. Ein Konzept, das bis heute geblieben ist.

Dank Pierre Keller lernen wir u. a. Jean Tinguely, Daniel Spoerri, John Armleder, Olivier Mosset, Sylvie Fleury und Niki de Saint-Phalle kennen.

Tinguely kreiert ein Werk für den Saal der Mascarons und schenkt uns dieses wunderschöne Plakat.

1995

1995

Für die dritte Auflage betrauen wir den international bekannten Künstler Ben mit der Schaffung des Plakats. Bekannt wurde Ben bei uns hauptsächlich für seine Inschrift la suisse n’existe pas an der Weltausstellung von Sevilla.

Er unterbreitet uns mehrere Versionen, jede mit einer kindlichen Figur, die Slogans und Informationen schwenkt.

Eines der Projekte

In seinem Atelier in Nizza skizziert Ben ein Projekt für ein Plakat

Unsere Wahl fällt auf ein Projekt, das uns wegen seiner Behauptung Môtiers ne fait rien à moitié und den kleinen, roten Schildern besonders gut gefällt. 

In diesem Jahr erscheint das Plakat nicht auf der Titelseite des Katalogs, sondern auf der Umschlagrückseite. 

Da die Vorzugsausgabe dieses Werks einen Siebdruck von Ben, Tout est sculpture, in 99 signierten und nummerierten Exemplaren enthält, erscheint dieser Siebdruck auf der Titelseite. Er wird umrahmt, von den 61 Künstlern, die in diesem Jahr in Môtiers ausstellen, aufgenommen von unserem Fotografen François Charrière.

Ben signiert in Nizza jedes der 99 Exemplare des Siebdrucks.

Der Katalog

Im Schloss von Môtiers habe ich die Ehre, den Katalog der Bundesrätin Ruth Dreyfus, Präsidentin des Patronatskomitees, zu zeigen.

2003

2003

Wir bitten John Armleder und Olivier Mosset, gemeinsam das Plakat zu gestalten. Sie sind befreundet, haben beide die internationale Gegenwartskunst beeinflusst und oft in denselben Galerien ausgestellt. Sie waren schon zwei Mal in Môtiers mit dabei.

Jeder schlägt sein eigenes Konzept vor, das jeweils das andere ergänzt: Armleder will ein per Satellit aufgenommenes Foto des Dorfs, Mosset wünscht, dass der Text in Rousseaus Handschrift erscheint.

Vergessen wir nicht, dass Rousseau von 1762 bis 1765, nach der Verurteilung seines «Emile et le Contrat social», im Exil in Môtiers lebte.

Das Plakat zeigt so das Paradox unserer Ausstellungen auf: der zeitgenössische Aspekt (die heutige Kunst und das Satellitenfoto) vereinigt sich mit dem historischen Erbe (das Dorf im 18. Jahrhundert und die Anwesenheit Rousseaus).

Mit dieser Arbeit beauftragt, muss Jonathan Delachaux nur noch in Rousseaus zahlreichen Manuskripten in unserem Besitz nach den passenden Buchstaben fahnden, ein Foto finden, (schliesslich eine Luftaufnahme von Môtiers), das Ganze gut schütteln und uns ein harmonisches und zugleich leicht verblüffendes Plakat präsentieren.

2007

2007

Das Plakat ist ein Geschenk von Günther Förg, eines deutschen Bildhauers, Malers und Fotografen, der in Le Locle ein Atelier besitzt. Er ist international bekannt und stellte in der ganzen Welt aus; seine Werke befinden sich in allen großen Museen.

Er arbeitet mit Aquarell, um von Môtiers zu reden, einem herbstlichen Môtiers das in der Dämmerung versinkt. Die Buchstaben scheinen in der Landschaft herumzuflattern wie Skulpturen, die auf einem zufälligen und unwahrscheinlichen Parcours platziert sind.

Das Plakat steht in einem erstaunlichen Kontrast zum Werk, das er dieses Jahr in der Grande Rue vorstellt (siehe weiter unten).

So streng wie die Skulptur mit ihrer Struktur, die an Barnet Newmans Gemälde erinnert, erscheint, so leicht wirkt das Plakat, wie improvisiert.

Das Spiel mit den Codes ist nicht das einzige Verdienst dieses aussergewöhnlichen Künstlers. Die Kritik hat sich übrigens nicht geirrt und bezeichnet seine Kunst als postmodern, anders gesagt als schwer einzuordnen.

2011 kann er krankheitshalber an der Ausstellung nicht teilnehmen, verspricht aber, das nächste Mal zu kommen.

Also befindet sich im Januar 2014, anlässlich der Sitzung der Jury für die Vorbereitungen der Ausstellung 2015, sein Name auf der Liste. Auf der Suche nach seiner Adresse entdecke ich, dass Günther Förg vor einem Monat in Colombier, wo er auch ein Haus besass, gestorben ist. Die lokale Presse hat den Künstler und sein Schaffen mit keinem Wort gewürdigt.

2011

2011

Für die sechste Auflage wünschen die weiblichen Mitglieder des Komitees unmissverständlich – um nicht zu sagen sie fordern – dass das Plakat von einer Künstlerin gestaltet wird. Der Name Sylvie Fleury setzt sich schnell durch. Die Künstlerin nimmt den Auftrag gerne an.

Ihre Arbeit erkundet die Codes der Weiblichkeit, der Mode und des Luxus. Taschen aus der Haute Couture, schöne amerikanische Autos, teure Kosmetikprodukte finden sich in ihren zahlreichen Ausstellungen rund um die Welt. Die Künstlerin fordert ihr Recht ein, mit Vergnügen und unter dem Gesichtspunkt der Ästhetik zu konsumieren.

2007 stellte Sylvie Fleury in einem Häuschen am Chemin du Moulinet einen leuchtend blauen Riesenpilz aus.

Vier Jahre später taucht der gleiche Pilz mit drei Brüdern im Dienst des Plakats wieder auf.

Sylvie schenkt uns dieses glänzende, attraktive, glamouröse Plakat, das alle begeistert.

Bei genauem Hinsehen kann man das Spiegelbild der Künstlerin im Hut des Pilzes erkennen. Sylvie jedenfalls behauptet es, aber ich muss gestehen, dass ich dort immer noch überhaupt nichts sehe…

2015

2015

Für die Auflage 2015 bitten wir Daniel Spoerri, das Plakat zu gestalten.

Der Künstler ist eines der letzten «Monstres sacrés» der Kunst des 20. Jahrhunderts: Mitglied der Nouveaux Réalistes, nahe an Fluxus, dem Mouvement Panique sowie dem Collège de Pataphysique. Er stellte 1989 und 1995 in Môtiers aus.

Er schenkt uns zwei Plakatprojekte. Als Antwort auf meinen enthusiastischen Dank schreibt er mir: «Es freut mich, dass mein Gekritzel euch gefällt. Salute.»

Zwischen dem ersten Bild (Atelier von Daniel Spoerri in Ueberstorf (FR), 1989

und dem zweiten (Restaurant Giardino in der Toskana, 2014) sind fünfundzwanzig Jahre vergangen.

Wir präsentieren dem Künstler das ausgewählte, gescannte und reproduzierte Plakat in seinem fantastischen Giardino, einem Skulpturenpark von achtzehn Hektar in Seggiano in der Toscana.

Spoerri überprüft das Plakat kurz und schlägt uns dann vor: «Macht einen Spaziergang im Park, ich füge noch ein bisschen grün dazu; es geht doch um eine Ausstellung in der Natur oder nicht?»

Erste Version des Plakats vor der Verbesserung

Wir kommen zum Essen wieder zusammen, und er bringt das mit grünem Farbstift veränderte Plakat mit: «Das ist besser!». Und es stimmt.

2021

2021

Roman Signer, einer der bekanntesten Schweizer Künstler, gestaltet dieses Plakat, das eine seiner Performances zeigt, aber auch einige Elemente unserer Ausstellungen in Môtiers: das Wasser für den Wasserfall und die drei Bäche entlang des Parcours, das Häuschen als Symbol für die zahlreichen Werke aus Holz unserer Künstler, Berg und Talgrund wie eine Landschaft im Val-de-Travers…

Die Wasserwolke steht für all das was wir in der Kunst lieben, das Unerwartete, den Zweifel – fällt sie oder steigt sie aus dem Häuschen? – aber auch für ihren ästhetischen Aspekt.


In Anwesenheit des Künstlers Roman Signer (rechts) bearbeitet sein Freund, der Grafiker Rolf Zimmermann, den Plakatentwurf 2021.